steirischer herbst 2004
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Kälte
literatur im herbst
Idee     Gerhard Melzer
Ort   Literaturhaus Graz
Termin    13. 10. – 16. 10. 2004
 
Koproduktion    steirischer herbst mit Literaturhaus Graz


Jede Zeit bringt Schlüsselwörter hervor, die ihren Zustand markieren. Seit der Wirtschaftsliberalismus grassiert, sich in alle Lebensbereiche hineinfrisst, sie durchwirkt und überformt, hat das Wort „Kälte” Konjunktur. Es ist ein Mahnwort, in dem gebündelt erscheint, was die ausschließliche Ausrichtung an Kategorien wie Nützlichkeit, Effizienz, Verwertbarkeit bewirkt: die Entstehung von Ellbogengesellschaften, Sozialabbau, Teilnahmslosigkeit, seelische Verarmung, Vereisung der Herzen. Kurz: „Kälte” als Metapher für eine gegenüber Normalbedingungen stark herabgesetzte „Temperatur” in den Beziehungen der Menschen.
Literatur, Kunst überhaupt, begegnet dieser Entwicklung auf ihre Weise: in ihren besten, interessantesten Ausprägungen lamentiert und moralisiert sie nicht, sondern treibt den Teufel mit Beelzebub aus. Die Kälte der Welt wird gebannt durch Strategien ästhetischer Ausnüchterung, durch zynische Verdoppelung von Teilnahmslosigkeit, durch kalte Lakonie.
Neben Lesungen und Gesprächen veranschaulicht eine Ausstellung zu Konrad Bayers „der kopf des vitus bering” die existenzielle und ästhetische Brisanz des Themas „Kälte”. Der Text Bayers, dessen Todestag sich am 10. 10. 2004 zum vierzigsten Mal jährt, gilt als Schlüsselwerk der österreichischen und internationalen Nachkriegsavantgarde.
Die Ausstellung zeigt Originaltyposkripte und Handschriften Konrad Bayers, welche die Entstehungsgeschichte des Textes dokumentieren, sowie vom Autor verwendete Quellen zu arktischen Entdeckungsreisen, zum historischen Vitus Bering und zum Bedeutungszusammenhang des Schamanismus. Dessen Riten und Praktiken galt Bayers Interesse im Besonderen; strukturelle Analogien zwischen Phänomenen des Schamanismus (Entgrenzung, Überschreitung, Zerstückelung und Neuzusammensetzung) sowie der Motivik und Komposition von Konrad Bayers Prosa sucht die Ausstellung sinnfällig zu machen.
Der Besuch einer im Literaturhaus installierten „Kältekammer“ (mit einer Temperatur von minus 110 Grad) bietet Gelegenheit zum sinnlichen Nachvollzug der im „kopf des vitus bering” thematisierten physikalisch-physiologischen Grenzüberschreitung.

 

Programm