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Das Jenseits kann überall sein
Uraufführung von Wolfgang Bauers ,,Foyer", realisiert vom Grazer Theater im Bahnhof beim "steirischen herbst": eine kärgliche Vergänglichkeitsposse.


Flackerndes Licht im Foyer, das den Retro-Charme des Wiener Bellaria-Kinos mit den American-Bar-Darstellungen von Edward Hopper kombiniert: Symbol für einen Störfall. Einiges ist außer Kontrolle geraten, unter anderem das Ego des Dichters Charlie Dodler, dem der Zutritt zur Uraufführung seines eigenen Stücks verwehrt wird. Theater im Theater also, Traum im Leben oder doch Realität im Wahn?
,,Ein gelungenes Stück über Leben und Tod", befindet Otto Sammler, die Kritiker-Figur, die der Grazer Autor Wolfgang Bauer als Hommage an seinen im Vorjahr verstorbenen Freund Otto Breicha kreiert hat, über das Dodler-Stück. Ein Urteil, das auf die Uraufführung von Bauers Stück ,,Foyer" nicht zu übertragen ist.
Wirklichkeits-Kollisionen und Ich-Suche in Cinemascope: Auf der lichtdurchfluteten 20 Meter-Bühne (Ausstattung: Heike Barnard, Johanna Hierzegger) tappt der arme Poet Dodler im Identitätsdunkel. Spielt das ,,Blue-Star-Theater" bereits seit sieben Jahrzehnten sein Stück ,,Tolldreistes Leben"? Treibt es seine Frau tatsächlich auf der Bühne mit einem Ziegenbock? Und was hat der von ,,Bacardi" gesponserte Präsident Bush in dieser von Zeitstrudeln geprägten Vorhölle verloren?
,,Foyer" ist eine Albtraum-Groteske mit autobiografischen Zügen. Zu erleben ist eine rasselnde Vergänglichkeitsposse. Kein genialer Wurf aus der Werkstatt der Grazer Dramatiker-Pranke, sondern ein Stück, das auf bekannte Muster zurückgreift, welche schon pointierter, fesselnder, brisanter erschienen sind.
Wer erwartet hatte, dass die Textvorlage durch die Realisierung desfrech-witzigen Grazer Volkstheater-Kollektivs ,,Theater im Bahnhof" (TiB) intensive Lichtmomente erhält, wird enttäuscht. War es übergroße Ehrfurcht oder Zuneigung für Magic Wolfi? Das Regie-Duo Monika Klengel und Pia Hierzegger bleibt in seiner Inszenierung zu nahe am Stück, agiert zu wenig experimentierfreudig. Die Inszenierung verstrickt sich in nebensächlicher Komik und lässt zudem oftmals die traditionellen TiB-Stärken - Respektlosigkeit, subversives, brachiales Amateur-Flair - vermissen. Im (unbewussten?) Bestreben, Stadttheater sein zu können, verliert das Off-Theater seine Krallen.
Auch die Besetzung von Charlie Dodler, jenem ,,Testpiloten", der Bauers Leben ,,abtastet", ist nicht optimal: Lorenz Kabas als scheuer, an sich und der Welt zweifelnder Literat, punktet mit entgeisterter Naivität. Eine sinnliche Bauer-Figur wie etwa der von Manfred Weissensteiner verkörperte Arzt ist er nicht. Die Garderobiere, die Kassafrau und Dodlers Gattin Renate werden, sobald sie ihre Blusen abstreifen, zu libidinösen Geschöpfen: die drei Hexen von Eggenberg. Rupert M. Lehofer bringt als ein in Frotteepyjama gewandeter Kritiker Otto Sammler das prominent besetzte Premierenpublikum mit Wackelgesäß zum Lachen, der Regisseur (Robert Kouba) ist zugleich der Gehörnte. Das Theater als Jenseits, aber auch das Leben ist höllisch.
Ist ein Ego zu transplantieren? Ein halbes Herz allemal und so erhält Dodler jenes von George Bush (oder doch von Hermann Maier?) eingesetzt, was das Aus für den ,,Darmrealismus" des Autors - er lebte bislang mit einem Blinddarm im Kopf - bedeuten könnte.
Tollkühnes und doch kärgliches Bauer-Bühnen-Tohuwabohu also ist zu sehen. Auf die finale Lächerlichkeit einer Darsteller-Exekution folgt der schöne Satz: ,,Der Tod hat Angst, er flüchtet sich immer wieder in ein neues Leben hinein". Wahrlich berührend: Wolfgang Bauers langsamer Abgang nach dem mäßigen Premierenapplaus.

Martin Behr

erschienen in:
Salzburger Nachrichten, 11. 10. 2004