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Alle gern umbringen
Draußen vor der Tür stand Wolfgang Bauer bei der Uraufführung seines herbst-Werks "Foyer" - groteske Metapher eines Dichterlebens.


Es ist absonderlich, tieftraurig wie witzig, schräg gedacht. Kein glattes Stück, kein selbstgefälliges Unter haltungsspiel für ebensolche Zuseher. Ein gelungener Wurf für den steirischen herbst, wenn Avantgarde nicht mit Alter verwechselt, sondern als Geisteshaltung verstanden wird. Der 1941 geborene Urheber hat seinerzeit mit seinen "Gespenstern" einen Skandal provoziert. Empörung ist mittlerweile nahezu "out". Verstörung, Irritation sind das Maximum. An dieser Latte gemessen, kann man zur Produktion des Theaters im Bahnhof festhalten: einigermaßen geschafft! Und so zeigte sich das verwirrte wie amüsierte Publikum anständig bedächtig beim Schlussapplaus.

Herr Bauer, wie hat Ihnen die Aufführung gefallen? "Ich war nicht drinnen." Draußen im Foyer der List-Halle steht der Dichter am Bar-Tresen. Drinnen beim "Foyer" hat sich der Grazer Lokalmatador erst zum Finale gezeigt. Nichts Neues für Wolfgang Bauer. Zum Markenzeichen gewordene Haltung, dass er die Premieren seiner Stücke eher meidet. Doch Stopp, ein bisschen hat er schon hinein gespäht. Bei der Probe. Und findet "den Lorenz Kabas hervorragend".

Spitzweg und Wilhelm Busch geistern durch den Kopf beim Anblick des hageren Schauspielers, der wohlgefällig den Sperrbezirk des Musentempels betritt. Das Niemandsland zwischen Kassa, Toiletten, Garderobe und Theke. Ihn, den Charlie Dodler, den Dichter, dessen Stück von einem "tolldreisten Leben" gerade auf der Bühne spielt, hat man einfach zu kennen. Doch so simpel läuft das auf Erden nicht.

Da kann man schön daneben stehen. Immer kleiner wird er, zu einem Häufchen Elend. Verzweifelt rennt er gegen Saaltüren und den Einlasser an, verdammt zum kafkaesken Türsteher, dem der Eintritt verwehrt wird. Ins Paradies (der Eitelkeiten), auch wenn das im Sinne Sartres nur ein anderer Lokus in der Hölle Leben ist, kommt er bis zuletzt nicht. In diesem Spiel im Spiel, wo die Ebenen wanken, wo alles zur Bühne wird, wo Hoffnung, Trostlosigkeit, Gott und Nichts verschmelzen, bleibt der Mensch am Rand und auf der Strecke. "Das Leben rennt irgendwie dahin, kommt und geht, auf einmal ist es weg", bringt es Dodlers Freund Otto Sammler alias Rupert M. Lehofer auf den Punkt. Der Lebensbegleiter und Kritiker - ein Denkmal für Otto Breicha - schlurft im Pyjama durchs Foyer, mehr wein- denn leutselig wie der Protagonist selbst.

Und dann sind da noch die Frauen. Hyänenartige Marsmenschen - Mann versteht sie nicht -, schrill und geil: Eva Maria Hofer nimmt ihren Dichter-Gatten animalisch aufs Horn und macht aus dem alten Tatterer einen lächerlichen Ziegenbock. Selbst Puristen entlockt der kauzige Kabas - viehisch erniedrigt - Tränen der Heiterkeit. Brunftig stehen Kassafrau Juliette Eröd und Garderobiere Martina Zinner zur Seite.

Mit Slapstick sorgen die Regisseurinnen Pia Hierzegger und Monika Klengel für Kurzweil trotz etlicher Längen und durchbrechen das existenzialistisch-düstere Spiel. Auf der Strecke bleiben stellenweise die philosophischen Aussagen. Fein gelungen sind die Altersumkehrungen: Enddreißiger spielen Siebzigjährige, Oldies stören mit ihren plärrenden Babys die Aufführung.

Absurdität pur lässt schließlich die Auseinandersetzung mit unerfüllten Lebenserwartungen in ein wahnwitziges Kaleidoskop umkippen: Das Theater brennt - wie Georg Kreislers in Flammen stehender Zirkus -, und die Erlebnisgier treibt kulturbeflissene Transplantations-Ärzte auf den Plan. Kurzerhand wird dem Schriftsteller das Herz von Dabbelju Bush eingepflanzt - mit programmierter Identitätslosigkeit und perfider Go-West-Untergangsstimmung.

Im Finale greift der auf ein Versuchskaninchen reduzierte Dichter-König zu MG und Sprengsatz, schießt alle nieder und erledigt sich selbst. Sarkastischer Exodus, makabrer Scherz eines vom lächerlichen Gesellschafts-Spiel angewiderten Poeten, der genüsslich-virtuell die Bombe platzen lässt. Schmunzelnd gesteht Bauer der "Presse" im Foyer nach dem "Foyer": "Würde manchmal gerne alle umbringen."

Elisabeth Willgruber

erschienen in:
Die Presse, 11. 10. 2004