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Der Fußball ist nur eine Form der Kultur
Oder, wie der Kultursoziologe Roman Horak zu sagen pflegt: "Im Fußball wie im Kino steckt jede Menge Welt"


Graz - Das Fernsehen zu Hause nimmt dank der Heimkinotechnologie immer stärker den Charakter des Kinobesuchs an. Das heißt auch, dass der vom Fernsehen gekaufte und für seine Bedürfnisse zurechtgemachte große, sozusagen "Show"-Fußball, sich seinerseits dem Kino und seinen Betrachtungsweisen nähert. "Aber warum gibt es keine ordentlichen Fußballfilme im Kino?"

Third Places

Solche und andere Fragen an den Rändern des Zuhause, des Arbeitsplatzes und des öffentlichen, kommunikativen, informellen Raumes stellen die Organisatoren und Teilnehmer der Veranstaltungsreihe Third Places (vom 9. 10. bis 7. 11.) im Rahmen des steirischen herbstes in Graz.

An den Beginn der Auseinandersetzung, die beispielsweise die DJs Chris Duller (vormals Falter-Musikchef, jetzt Ton um Ton) und Michael Hatz (Admira-Kapitän) zusammenbringt, frühe Popfilme (Nonstopkino, 22. 10.) dem Fußballfilm (Nonstop-Kino, 24. 10., ab 11) gegenüberstellt, platzierte man also eine Diskussion, in der unter anderem der Filmemacher Piet Fuchs (Rudi Rastlos - Der Ball rollt für Ruanda) und der Filmpublizist und Fußballfanatiker (1. FC Köln!) Olaf Möller über die Eignung des Fußballs für das Medium Film diskutierten.

Zweiter, dritter Raum

Beide kamen überein, dass die Verortung des "dritten Raums" eine vorläufige Benennung darstellt. Für Profis wie den Afrikaner Benni Akwuegbu, der unter nicht gerade sympathischen Umständen vom GAK verabschiedet wurde, stellt der Fußballplatz ja den zweiten, den Arbeitsraum, dar. Auf den er unter Umständen, so die Frage der zweiten Diskussionsrunde am Sonntag, keinen Anspruch hat. Weil die Ressentiments der Österreicher erstrangig sein könnten.

So lassen sich an den fluktuierenden Beziehungen des individuellen Raum-Netzwerks (freizeit-)kulturelle, historische, wirtschaftliche, ja normative Veränderungen deutlich ablesen.

Mehrwert

Oder lässt sich die Beeinflussung der Third Places gar als Anstoß für eine weiter gehende Umdeutung bis hin zum (äußeren und inneren) Zuhause nutzen. Enthalten Kino (Video), Musik (MTV) und Fußball mehr Wert als den der Unterhaltung?

Das Stadion, so viel zeigt auch diese Veranstaltung, hat in den vergangenen zwanzig Jahren einen unumkehrbaren Wandel vom primären Erlebnisort zur Kulisse (für TV-"Live-Spiele", VIP-Logen) erfahren. Die Käfige der Hooligans und die Stehplätze der Fans bilden Reservate eines untergegangenen oder anachronistischen Abenteuers.

Hicke

Rapid-Trainer Josef Hickersberger schließlich bot beim "herbst" quasi als Innensicht das Resümee seiner sieben Jahre dauernden Wanderung durch die Welt (inklusive Stationen in Bahrain, Ägypten, VAR oder Katar): "Ich habe sehr viel an Toleranz gelernt."

Der Zuseher wandelt sich auf seiner Fahrt durch den Großmarkt der Third Places zum Konsumenten. Oder, wie der Kultursoziologe Roman Horak zu sagen pflegt: "Im Fußball wie im Kino steckt jede Menge Welt."

Johann Skocek

erschienen in:
DER STANDARD, Printausgabe, 12.10.2004