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"steirischer herbst:" Klarheit der Kälte
Passend zur Zeit, passend zur Gesellschaft, die seelische Frostbeulen trägt, ist das heute beginnende "herbst"-Projekt "Kälte" im Literaturhaus.  


Mit der Kälte kommt die Klarheit", postulierte Thomas Bernhard vor geraumer Zeit. Allein, die soziale Kälte ist eine rapid zunehmende, die Klarheit indessen ist nebulösen Hoffnungsschwaden gewichen, der Zustand der Gesellschaft artikuliert sich durch den Zuwachs an seelischen Frostbeulen.
Projekt. So kommt denn auch das viertägige Projekt "Kälte" im Literatur Graz, das heute Abend beginnt, zur richtigen, weil falschen und vereisten Zeit, um zumindest erwärmende Funken zu schlagen. Mit hochkarätiger Besetzung und der drastischen Möglichkeit, das Phänomen Kälte auf der eigenen Haut zu verspüren. Die Brisanz des Themas wird belegt mit der Huldigung von Konrad Bayer, dessen arktische Entdeckungsreise an der Seite von Vitus Bering zur für ihn letalen Metapher für den Frei- und Kältetod wurde. Eigens für Grenzerfahrungen installiert wird eine Kältekammer (mit einer Temperatur von minus 110 Grad). Teilnehmer. Viel Feingefühl und fernab der sonst so oft üblichen Beliebigkeit wurde bei der Auswahl der Teilnehmer bewiesen. Christoph Ransmayr wird aus seinem Erstling "Die Schrecken des Eises und der Finsternis" lesen (Donnerstag, 20.30 Uhr), zuvor wird der Philosoph Peter Strasser das zentrale Thema, in doppeltem Wortsinn, polarisieren und die Extreme des ästhetischen Blicks aufzeigen. In seinem kürzlich veröffentlichten Werk "Gut in allen Möglichkeiten" (eine ausführliche Rezension folgt demnächst) befasst sich Strasser, themenadäquat, mit dem Phänomen des "Kältestroms", der das aktuelle Weltbild beklemmend prägt.
Hochkaräter. Mit Martin Kusej und Michael Haneke kommen zwei weitere Hochkaräter, mit besonderem Nachdruck verwiesen werden soll aber auf die Präsenz zweier herausragender Autoren, die hierzulande nach wie vor den ihnen gebührenden Stellenwert nicht inne haben: auf Jean-Philippe Toussaint ("Sich lieben"), einem Beckett unserer Tage, und auf Peter Kurzeck, der in seiner Denkweise ein Bindeglied zwischen Emmanuel Bove und Jacques Tati ist; beide werden am Freitag (15. 10., 18.30 Uhr)gemeinsam mit Lydia Mischkulnig lesen, den Zuhörer garantiert aufs Glatteis führen und dort ihre poetischen Pirouetten am Rande des Abgrunds drehen. Frost-erfahrungen, herzerwärmend.

Werner Krause

erschienen in:
Kleine Zeitung, 13.10.2004