pressespiegel
                              kontakt
                akkreditierung
                pressephotos
             presseverteiler
Der Newsletter ist auf der aktuellen Webseite verfügbar.
Die Suche ist auf der aktuellen Webseite verfügbar.
english

<<  zurück

"Befremdet von mir selbst - das ist der Reiz!"
Wolfgang Bauer im Interview über die Uraufführung von "Foyer" und die Unhaltbarkeit von "Wirklichkeit"


Mit der samstägigen Uraufführung von Wolfgang Bauers "Foyer" in der Grazer Helmut-List-Halle (20 Uhr) besinnt sich der steirische herbst auf sein aktuelles Motto der "Krise": Im Gespräch mit Ronald Pohl sinniert der Autor nach über die Unhaltbarkeit von "Wirklichkeit".

STANDARD: Hat man Sie vonseiten des als unbekümmert geltenden "Theaters im Bahnhof" pfleglich behandelt? Will heißen: Wurden Sie in den Entstehungsprozess der Uraufführungsinszenierung von "Foyer" mit einbezogen? Bauer: Über zwei Tage haben sie mich bei den Proben hineingelassen. Nein, nicht hineingelassen - das hat sich halt so ergeben. Die Helmut-List-Halle war noch nicht fertig - die haben in einer Kirche in Eggenberg, wo ich förmlich aufgewachsen bin, geprobt. Und da hab ich nicht hingewollt. Nein, ich hab mir später ein rundes Bild machen können. Das schaut gut aus!

STANDARD: Sie fühlen sich also nicht missverstanden? Man kennt den Bühnenautor Wolfgang Bauer ja als kritischen Geist, der blinde Eigenmächtigkeiten gegenüber seinen Stücken geradezu verabscheut.

Bauer: Das waren Winzigkeiten, die zu besprechen waren - eher technischer Art. Aber im Prinzip haben sie es - bitte, meiner Meinung nach - hingekriegt. Es ist ja wurscht, wie oft man Premiere hat in seinem Leben: Es ist immer etwas anderes, wenn das Stück dann "erscheint".

STANDARD: Sind Sie nicht manchmal von Ihren eigenen Einfällen befremdet? Bauer: Freilich, das ist ja der Reiz an der Sache.

STANDARD: Im "Foyer" geht es um den exemplarischen Fall einer Entfremdung - ein Autor erreicht mit knapper Not das Foyer des Theaters, in dem gerade sein Stück uraufgeführt wird. Nur handelt es sich bei besagtem Stück um das vollständige, sozusagen "ungekürzte" Leben des Autors - der "Dodler" heißt.

Bauer: Es geht mir immer um die Fremdheit - seit meiner ersten Uraufführung. Außer ich habe das jeweilige Stück selbst von A bis Z inszeniert. Da geht man dann völlig in der eigenen Arbeit auf. So aber ist es immer eine wohltuende Überraschung ...

STANDARD: Empfinden Sie nicht auch manchmal Furcht gegenüber Ihrer eigenen Fantasie?

Bauer: Wenn man sich schlecht und schwach fühlt, kann die eigene Arbeit auf einen zurückschlagen. Im Prinzip nicht, aber es ist eine gewisse Gefahr vorhanden, dass man Dinge erzeugt, die schwer auf einen zurückfallen. Für das Foyer gilt das ganz stark - der Text stellt für mich auch keinerlei Befreiung dar.

STANDARD: Ihrem Alter Ego "Dodler" wird ja immerhin in einer Art Notoperation der Blinddarm an der Stelle des Gehirns eingesetzt. Sie rücken sich, um im Bild zu bleiben, selbst zu Leibe.

Bauer: Ja, diese Szene ist dem "Theater im Bahnhof" übrigens besonders gut gelungen. Ich bekenne mich rückhaltlos zur Romantik: Der Zusammenhang von Kunst und deren Urheberschaft drückt ja eine Art von Zirkel aus. Dinge werden spiralförmig umkreist.
Den Namen "Dodler" würde ich übrigens auch nicht überschätzen. Bei mir liegen Stückideen lange ab, und das Foyer war eigentlich ein Nebenprojekt. Ein Auftragswerk - und ich habe mich auf die einfachste Idee, auf den Vorraum des Theaters, verlassen. Dadurch bin ich in eine gute Inspiration hineingekommen. Das Schreiben muss nämlich intuitiv klappen. Wenn der Plot zu gut ist oder zu kompliziert wird, die Latte zu hoch liegt - dann ist das Schreiben nicht so lustig. Die Basis war watscheneinfach. Das gibt Kraft.

STANDARD: Sie äußern in Ihrem Drama den verwickelten Gedanken, dass jedes Leben der Traum eines anderen sein könnte. Was aber nur darauf hinausläuft, dass der betreffende Träumer wiederum "ich" sagen kann - im Grunde existiert also kein verlässliches Kriterium, wonach jemand entscheiden kann, dass "ich" auch wirklich "ich" bin.

Bauer: Das stimmt einen nicht gerade glücklich. Foyer ist daher auch ein tragisches Stück: Mein Dodler kann seinem Lebensplan aus irgendeinem Grund nicht näher kommen. Daraus aber abzuleiten, dass ich, der Bauer, meinen Lebensplan nicht verwirklicht hätte - das wäre wieder arg übertrieben. Eine bedrohliche Hypothese - eine Situation, vor der ich echt Angst habe. Existenzielle Dinge. Ich spiel' ja nicht bloß so herum.

STANDARD: Wie kommentieren Sie den Literaturnobelpreis für Elfriede Jelinek?

Bauer: Das ist im Prinzip einfach großartig! Damit wird in der Welt ein Pauschaltor für die österreichische Literatur geöffnet. Die Aufmerksamkeit richtet sich jetzt auf unsere ganze Literatengruppe. Davon bin ich überzeugt.

erschienen in:
DER STANDARD, Print-Ausgabe, 9./10.10.2004