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Hänsel & Gretel zu Besuch bei der Eiskönigin
Kühle Zeiten im "herbst" - oder ein modernes Mutter-Tochter-Märchen von Gerhild Steinbuch.


So ungemütlich wie die frostige Bühne von Susanne Maier-Staufen, so unbequem ist auch das Dreiecksdrama der ungewöhnlichen, mit dem Retzhofer Literaturpreis und dem Dramatikerpreis der Berliner Schaubühne ausgezeichneten 21-jährigen Gerhild Steinbuch.

Voll besetzt.
Graue Kisten, in denen Kindheitsrelikte begraben liegen, wie mit Moder überzogene Wandbahnen, dazwischen ein Fenster mit Ausblick auf einen eingeblendeten Baum. In dem erkalteten Haus haust die Mutter, bereitet sich auf den Tod vor, hat sich von der Außenwelt abgeschottet, zupft an einem Stück Schokoladetorte, während die letzten Gäste im restlos besetzten Probebühnen-Horst vom Grazer Schauspielhaus nur noch auf den Stufen Platz finden.

Besuch.
Heute ist ihr Geburtstag. Als unerwartete Gratulanten schneien die Tochter und deren Freund in ihre Höhle und machen das Publikum bei der Uraufführung 80 Minuten lang zu Voyeuren einer Familienpsychose.

"Todesengel".
In Koproduktion mit dem "steirischen herbst" und "uniT" begibt sich Hausherr Matthias Fontheim mit der Inszenierung von "Nach dem glücklichen Tag" auf das Eis emotionsgeladener Verstörung. Nichts ist in dieser Welt heil: die Mutter - Friederike Bellstedt in Hochform - zieht als verhärteter Todesengel und "psychischer Sondermüll" aus Lust an der Qual den von Morbidität faszinierten naiven Freund Paul in ihren erotischen Bann und verpasst der hasserfüllten Tochter Marie seelische Nadelstiche. Fontheim mixt im Gruselkabinett destruktiver Beziehungen Mutter-Tochter-Konflikte mit Märchenanleihen. Beim Eisflockengestöber glaubt man sich ins Reich der Schneekönigin entführt und wünschte noch stärkere fantastische Ausrichtung des düsteren Wechselspiels von Wunsch und Wahrheit.

Beeindruckend.
Natascha Shah und Thomas Prazak erinnern im schwarz-weiß gezeichneten Stück mehr an Hänsel und Gretel als an ein Liebespaar. Wächserne Figuren, deren Innenleben, Verletzungen und Entwicklungen weitgehend verschlossen bleiben. Lediglich Bellstedt reißt grob Männerfrust und Kapitulation vor der erwachsenen Tochter als Indizien für eine zu Eis erstarrte Hexen-Mutter an. Insgesamt beeindruckt das Realitätsmärchen.

Elisabeth Willgruber-Spitz

erschienen in:
Kleine Zeitung, 02. 11. 2004