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Klangstrom mit Zitaten als Schaumkronen
Pauset-Uraufführung beim musikprotokoll


Graz - Wer am Sonntag das musikprotokoll im Rahmen des steirischen herbstes besuchte, musste neben einer guten Portion Ohrenschmalz noch viel Reisebereitschaft mitbringen: Die Lautstärke der Konzerte in der Helmut-List-Halle oder im IEM Cube (ein elektronisch multidirektional beschallbarer Klangraum mit technologisch unterkühltem Ambiente) erforderte ein hohes Maß an Lautstärkeverträglichkeitstoleranz, und die im ganzen Grazer Stadtgebiet verteilten Aufführungsorte zwangen dazu, sich der nervtötenden Parkplatzsuche oder kleineren Radtouren bzw. Fußmärschen auszusetzen. Ein Shuttleservice hätte die körperliche Übertragung (das Motto der Konzertreihe) um einiges stressfreier gestaltet.

Die Erstaufführung von Brice Pausets Symphonie III (anima mundi) - am 11. November auch bei Wien Modern zu hören - durch das von Emilio Pomárico souverän geleitete und elektronisch in Echtzeit bearbeitete Klangforum Wien präsentierte sich als Klangstrudel, dessen physische Präsenz die akustischen Eigenschaften der List-Halle herausforderte. Die in vier Gruppen um das Publikum verteilten Instrumentalisten und Lautsprecher entfesseln einen enorm dichten Klangstrom, aus dem sich Schaumkronen aus Zitaten der Musikgeschichte lösen.

In dieser Haltung Charles Ives nicht unähnlich, präsentiert sich Pausets an Mallarmés Le Livre angelehntes Werk als janusköpfig: direkt in seiner Klanggewalt und zugleich unzugänglich durch die Verschlüsselung seiner historischen Kodes. Vielleicht hätten sich diese Widersprüche bei einer den Raum selbst einbeziehenden Rezeption im Rahmen eines begehbaren Konzertes aufgelöst.

Nutzte auch 3d klang in echtzeit von Julean Simon (Blaselektronik) und Seppo Gründler (Midigitarre) die deutlich im Trommelfell fühlbaren Resonanzen der dutzenden Lautsprecher im Cube drastisch aus (sofern man sich neben einer solchen Membran findet), so gab sich das Kairos Quartett am Samstag im stillen Minoritensaal sehr zurückhaltend bis verstummend. Sowohl Giorgio Nettis rinascere sirena für Streichtrio als auch Daniel Rothmanns Streichquartett untitled (beides Uraufführungen) konzentrieren sich auf wenige Gesten, bei Nettis auf der Geräuschebene, bei Rothmann hinsichtlich einzelner lang gehaltener Töne. Beide versickern jedoch schnell in der so aufkommenden Monotonie.

Robert Spoula

erschienen in:
Der Standard, 27. 10. 2004