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Skalpell statt Kettensäge
Wolfgang Bauer und das Theater im Bahnhof mühen sich im "steirischen herbst" miteinander ab.  


Muse und Moloch. "Angenommen, Sie träfen Gott, was würden Sie ihn fragen?", stand in einem Interview mit Wolfgang Bauer. Er antwortete: "Wie spät ist es?" Die Zeit. Seit Jahren ist sie des Dichters Muse und Moloch. Mit ihr spielt er in seinen Stücken, sie spielt mit seinem Leben. Auch in seinem neuesten Opus "Foyer" geht es nur vordergründig um den Autor Dodler, der die Premiere seines Stückes aus dem Theater-Vorraum erlebt, weil man ihn nicht in den Saal lässt.

Konfusion. Dodler ist zur Uraufführung gekommen, doch das Foyer-Personal versichert ihm, das Stück sei seit siebzig Jahren auf dem Spielplan und ständig ausverkauft. Zur zeitlichen Konfusion kommt der flirrende Wechsel von Identitäten und ein Sternhagel von Zitaten: Wenn Bauer nicht gerade Bauer zitiert, ist es halt Edward Albee. Und wenn Bush nicht Bush ist, ist er plötzlich Hermann Maier. Klingt ziemlich gut, fängt ziemlich gut an, endet aber auch ziemlich enttäuschend.
Bauer zitiert Bauer. In den ersten Minuten wähnt man sich in einem Stück Franz Kafkas, zu dem Edward Hopper das Bühnenbild geschaffen hat. Im Halbdunkel baut sich eine sinistre Spannung auf, die zusehends verebbt, weil nichts nachkommt. "Das ist mein Hauptwerk", ruft der Dichter. "Ja, aber du kommst darin nicht vor", ruft es zurück. Man kennt das irgendwie, von Wolfgang Bauer zum Beispiel. "Die Kunst muss gefährlich sein. Vor allem, wenn man sie mit dem eigenen Leben vermischt", lässt Bauer Dodler sagen. Reminiszenzen an wüste Heldenzeiten, da Freunde sich zu Tode soffen, Geliebte aus dem Fenster sprangen und Bauer selbst in Leserbriefen als Borkenkäfer zur Vergasung freigegeben wurde. An Zeiten, deren Geist der wilde Dichter mit "Gespenstern" austrieb und in denen mancher Nachmittag zum "Magic Afternoon" wurde. Erschreckend brav. Aber heute? Da müht sich ein erschreckend braves Theater im Bahnhof mit der Umsetzung eines erschreckend oberflächlichen Textes. Der Dichter mochte – oder konnte – seinen Enkeln nicht die Liebe eines wirklich kühnen Wortwurfes tun. Und diese wiederum, erprobt an Klassikern des Alten, versteinern in Ehrfurcht vor dem Uraufzuführenden statt es zu des Dichters höherer Ehre gehörig zu zertrümmern.
Mittelmaß. Pia Hierzegger und Monika Klengel haben inszeniert. Sie haben mit Tupfer und Skalpell gearbeitet, wo Kettensäge und Vorschlaghammer vonnöten gewesen wären. Die schauspielerische Leistung verharrt in akzeptablem Mittelmaß. Allein Lorenz Kabas gewinnt der gebeutelten Dichterfigur körpersprachlich einige berührende Momente ab.
Sehr höflicher Applaus beendete den zweistündigen Premieren-Abend.

Frido Hütter

erschienen in:
Kleine Zeitung, 11. 10. 2004