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Zusammenprall der Kunsträume
Uraufführung von Olga Neuwirths "... ce qui arrive ..." beim steirischen herbst


"Sie wünschen, wir spielen - das ist nicht das Motto, nach dem man mit uns zusammenarbeiten kann! Daher sind diese diversen Aussage weiter nicht zu kommentieren." Olga Neuwirths Worte zu der noch frischen Feststellung des Wiener Staatsopernlenkers Ioan Holender, wonach das Elfriede Jelinek-Libretto zu der von ihm und dem Pariser Chef Gerard Mortier gewünschten und nun abgelehnten Neuwirth-Oper nicht gut genug sei, sind nicht Teil von . . . ce qui arrive . . .

Irgendwie Schade. Sie hätten bei diesem Gesamtkunstwerk aus Sprache, Video und Musik, in dem neben dem Zufall auch die fragile existenzielle Basis von Schaffenden thematisiert wird, einen Platz verdient. Es wäre dabei allerdings - stellt man sich vor, Sängerin Georgette Dee hätte sich der Statements mancher an diesem Opernscheitern Beteiligten angenommen - eine Komödie der Ängstlichkeit herausgekommen. Und dies würde das Flair dieses Werkes, das von enigmatischer Poesie lebt, irritieren.

Da steht Georgette Dee an einem Strand in existenzieller Warteposition, als sollten ihr Wind und Wasser die letzten Daseinsfragen beantworten. Das Ensemble modern umrahmt diese Videoszenen mit Neuwirths raffiniert verschlungenen Klanggewächsen; die Musik wirkt bisweilen meditativ, versonnen und macht aus dem genauen Ensemble unter Franck Ollu punktuell eine Art Spieluhr.

Eine, die allerdings auch extreme Wachheit entfalten kann: Da tönt es mitunter regelrecht freejazzig, entschlüpft dem Sopransaxophon eine nicht unsentimentale Melodie. Und nicht nur einmal durchwandern kollektiv angelegte chromatische Abwärtsglissandi den Raum. Bis schließlich in der finalen Passage Liebestod-Motive (Wagners Tristan-Finale) aus dem Klangboden herauswuchern. Eine Zäsur bilden die drei von Neuwirth komponierten Songs - kleine, kontrastreiche eklektische Edelsteine, die auf Kurt Weill Bezug nehmen, aber auch US-Folk-Assoziationen (Nr. 1) gestatten.

Als dritte Ebene kommen von Paul Austers gelassener Stimme vermittelte Texte aus seinem Red Notebook. Sie wandern im Raum der Helmut-List-Halle, erfahren mitunter auch eine Bearbeitung und handeln auch vom Zufall. Und von diesem erzählt selbst die Beziehung der drei Werkelemente: Video, Text und Musik - hier ein Zusammenprall der Künste, eine Dreiecksbeziehung, die dramaturgisch eher ungestaltet bleibt.

Dies ist ein wenig das Problem: Ein bewusst eingesetztes Nebeneinander der Ebenen bewirkt eine Indifferenz bezüglich einer das Werk mit Intensität und Schlüssigkeit aufladenden Architektur. Das Spannende liegt im Detail. Die Summe der Details lädt die Rezeption jedoch eher zu einem Dahinplätschern auf der See der Beliebigkeit ein.

Ljubisa Tosic

erschienen in:
Der Standard, 23. 10. 2004