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Krise, Kälte und Gebirge – der steirisc[:her:]bst und sein Programm 2004
Die ursprünglich griechische Bezeichnung Krise steht für Entscheidung oder die entscheidende Wendung eines Verlaufes. Wenn der steirisc[:her:]bst sein diesjähriges Festival unter das Motto „... Krise ist immer ...“ stellt, war Intendant Peter Oswald anlässlich der Programmpräsentation auch gleich bemüht zu betonen, dass nicht der Herbst sich in einer Krise befinde, vielmehr ist „die Krise eine produktive künstlerische Kategorie“.


Die Präsentation einleitend ließ Herbst-Präsident Kurt Jungwirth zumindest ein Unbehagen hinsichtlich der Budgetierung anklingen und sprach von Partnern, die dem Herbst abhanden gekommen sind und von Versprechen, die nicht eingelöst wurden, so die Stadt Graz mit der Zusage aus dem Vorjahr, eine Unterstützung von 300.000 Euro zuzuschießen, von denen aber bis dato nicht mehr als die Hoffnung existiert. Die plötzliche Absage seitens des Bundes in der Höhe von 700.000 Euro, ebenfalls im Vorjahr, soll durch aktuellen Antrag der Landeskulturreferentin Waltraud Klasnic mit 622.000 Euro kompensiert werden. Und heuer gibt es auch keine Graz 2003-Organisationsgesellschaft mehr. Der Betrieb der Helmut-List-Halle durch den Steirischen Herbst hat sich als massiver finanzieller Hemmschuh erwiesen, wenngleich Oswald betont, die Halle sei als Aufführungsort natürlich „großartig“. Jedenfalls ist man auf der Suche nach einem Betreiber, der dem Herbst diese Bürde abnimmt. Aus Gründen, die also nicht krisenhaft, vielleicht aber prekär sind, soll noch in diesem Jahr mit der Stadt Graz und dem Land Steiermark eine Steirisch-Herbst-GmbH gegründet werden, durch die ein sicheres Budget garantiert werden kann.

Krise als Programm

Wolfgang Bauer is back! Das Theater im Bahnhof inszeniert Bauers Foyer in der Helmut-List Halle, darin der 70-jährige Dichter Dr. Charlie Dodler es nicht schafft, in die Premiere seines autobiografischen Stückes zu gelangen und stattdessen im Foyer eine alptraumhafte Tragödie durchlebt.

Nie weg dagegen war Olga Neuwirth: Ebenfalls in der List-Halle und mit dem Ensemble Modern, basierend auf Texten und mit der Stimme von Paul Auster, wird die multimediale Raumkomposition ... ce qui arrive ... gegeben. Film und Raumgestaltung stammen von Dominique Gonzalez-Foerster. ...ce qui arrive ... geht in einer Übertragung –transfer/ence – unter Mitwirkung von Peter Ablinger, Johannes Kalitzke, Giorgio Netti, Richard Kriesche u. a. – auch ins Musikprotokoll ein. In der Regie von Tina Lanik und im Kristallwerk geht Katrin Rögglas junk space über die Bühne. Angst, Neurosen und Depression in der Gesellschaft sind Thema eines „Trimm-Dich für Angsthasen“.

Zwei Stücke auf der Probebühne des Schauspielhauses komplettieren die szenische Kunst in Graz: Matthias Fontheim inszeniert das bisher als Arbeitstitel geführte Stück streifen der Grazer Autorin Gerhild Steinbuch, eine Dreiecksgeschichte um Mutter, Tochter und Liebhaber. In Koproduktion mit UniT wird Johannes Schrettles als offenes Werk mit seinem Mentor Renée Pollesch erarbeiteter Text Dein Projekt liebt dich! in szenischer Lesung aufgeführt. Gespannt sein darf man auf den Gebirgskrimi Im Gesäuse nach Text und Idee von Hans Winkler. Vor der Haindlkar-Hütte in Jonsbach gilt es, aus einer „juke-box für Gebirgskrimis“ ein Hörspiel um AußenseiterInnen, politische Flüchtlinge, Wilderer und Erstbesteigungen zu erleben.

Bildende Kunst, Literatur und Diskurs

In Konzept und kuratorischer Leitung von Doris Rothauer versammelt der Titel Third Places Ausstellungen, eine Filmreihe, Symposien, Workshops und Live-Acts zu den Themen Fußball, Games und Musik-Clips. Die Dritt-Orte stehen, neben Zuhause und Arbeitsplatz, für halböffentliche Räume, die ähnlich dem historischen Marktplatz wichtige soziale Funktionen in der Gesellschaft erfüllen. Damit einher gehen Konsumorientierung und Spaßgesellschaft, die zwangsläufig zum Thema für Kunst und Kultur werden.

Die Grenzen der Ökonomie versucht das Forum Stadtpark ebenfalls in Ausstellung, Symposion und Vorträgen unter Leitung von Oliver Ressler auszuloten. Mit Beweglichen Teilen dagegen beschäftigten sich die Kuratoren Peter Pakesch, Katrin Bucher, Heinz Stahlhut und Peter Weibel im Kunsthaus Graz. Die Aktualität von Maschinen- und kinetischer Kunst wird mit Arbeiten von Jean Tinguely, Michelangelo Pistoletto, Olafur Eliason u.a. zur Schau und Debatte gestellt.

Im Palais Attems und in Konzeption von Michal Kolecek, Margarethe Makovec und Anton Lederer findet unter dem Titel Ostwärts gen Westen eine Konferenz zu Kunstinitiativen aus dem mittel- und südosteuropäischen Raum statt.

Und schließlich aber nicht zuletzt versammelt die Literatur im Herbst zum alles umspannenden Thema Kälte ein hochkarätig auskristallisiertes Teilnehmerfeld von Anselm Glück, Michael Haneke, Ransmayr, Rühm, Strasser und vielen mehr, die von den Schrecken des Eises und der Finsternis zu erzählen wissen. – Warm anziehen bitte!

Wencel Mracek

erschienen in:
Korso, Juli / August 2004